Zuerst ging es beim fol­gen­den Bild von radel­du­del dar­um, den Ein­fluss der Licht­füh­rung auf den Aus­druck des Bil­des auf­zu­zei­gen. Dane­ben hat mich aber auch die Kom­po­si­ti­on die­ses Bil­des fas­zi­niert und zu die­sem Arti­kel ange­regt.

Licht­füh­rung und Wir­kung

(Por­trait ver­wen­det mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Sam Jost, www.radeldudel.de.)

Im obi­gem Bild ist der Ell­bo­gen so nahe am Bild­rand, dass dort hohe visu­el­le Span­nung ent­steht, obwohl das Gesicht und die Ges­tik der Hand das The­ma aus­drü­cken und daher dort die höchs­te Span­nung und damit das Auf­merk­sam­keits­zen­trum sein soll­te.

Das gewähl­te Hoch­for­mat betont die Ver­ti­ka­le, das Ober­halb und Über gegen­über dem Unter­halb und Unter. Das The­ma des Bil­des fin­det dage­gen in hori­zon­ta­ler Rich­tung statt und steht damit im Wie­der­spruch zum For­mat.

Die unten­ste­hen­de Ver­si­on lässt dem Hel­den mehr Raum und hat ein zum The­ma pas­sen­des Bild­for­mat, ist aber nicht aus­ge­wo­gen, da das Span­nungs­zen­trum der Kom­po­si­ti­on links vom Balan­ce­zen­trum des Bild­fel­des liegt.

Schreck­se­kun­de

 

Bildelemente

Das Bild lässt sich in drei Berei­che auf­tei­len: Der Held, die Dun­kel­heit rechts von ihm und das schwar­ze Etwas links von ihm. Der Held ist nach links gerich­tet und sieht über sei­ne lin­ke Schul­ter nach rechts, von wo auch das Licht kommt. Die Dun­kel­heit scheint hin­ter dem Hel­den und dem schwar­zen Etwas durch­zu­lau­fen. Das Licht kommt von einer nicht sich­ba­ren har­ten Licht­quel­le als Streif­licht von rechts.

Struk­tur­mus­ter

Der Held scheint das schwar­ze Etwas mit sei­ner Hand zu umgrei­fen und sei­ne rech­te Schul­ter scheint dahin­ter zu ver­schwin­den, als sei die­ses Etwas ein Vor­hang. Held plus Vor­hang haben zusam­men ein hohes visu­el­les Gewicht, des­sen dyna­mi­sches Zen­trum zwi­schen der Hand und dem Ober­arm liegt. Das dyna­mi­sche Zen­trum der Dun­kel­heit liegt unge­fähr in sei­ner geo­me­tri­schen Mit­te. Da die Dun­kel­heit weni­ger visu­el­les Gewicht hat als Held und der Vor­hang zusam­men, liegt das Span­nungs­zen­trum der gan­zen Kom­po­si­ti­on etwas rechts vom Hel­den und damit nicht im Balan­ce­zen­trum dies Bild­fel­des. Damit haben wir einen Kon­flikt zwi­schen Kom­po­si­ti­on und Bild­feld, und somit ein unaus­ge­wo­ge­nes Bild. Bei­des spürt der Betrach­ter, was ihm vom genuss­vol­len Betrach­ten ablenkt.

Equilibrium

Um den Kon­flikt zu lösen, kann im Nach­hin­ein höchs­tens noch ein ande­rer Bild­aus­schnitt hel­fen.

Equi­li­bri­um

Nun ist der Held näher am lin­ken Bild­rand und scheint sich nicht nur hin­ter dem Vor­hand, son­der auch hin­ter dem Rand zu ver­ste­cken. Dage­gen leis­tet der Rand visu­el­len Wie­der­stand. Die Dun­kel­heit steht ihm gegen­über und bedrängt zusam­men mit dem, was der Held hin­ter dem rech­ten Bild­rand zu erbli­cken scheint, unse­ren Hel­den.

Das Bild sagt, dass sich etwas Bedroh­li­ches hin­ter unse­ren Held befin­det. Kom­po­si­to­risch haben wir die glei­che Anord­nung und damit das glei­che “The­ma” wie das Bild selbst und unter­stüt­zen so die Bild­wir­kung und -aus­sa­ge.

Verkehrte Komposition

Befin­det sich der Held am rech­ten Bild­rand, befin­det sich das Dunk­le nun von ihm weg, also genau anders­her­um als der Schre­cken. Das “The­ma” der Kom­po­si­ti­on weicht nun vom The­ma des Bil­des ab und arbei­tet gegen die­ses.

Ver­kehr­te Kom­po­si­ti­on

Auch erscheint die Dun­kel­heit nun nicht mehr als Vor­hand zu fun­gie­ren son­der ist eine Lee­re ohne erkenn­ba­re Bedeu­tung. Es spielt sich dort nichts ab; sie scheint über­flüs­sig zu sein.

Bildausschnitt und Aussage

Das The­ma “Schreck” kann durch einen ande­ren Bild­aus­schnitt zum The­ma “Bedroh­li­che Dun­kel­heit” wer­den:

Dun­kel­heit

 Nun ist es nicht mehr etwas Schreck­li­ches, das sich hin­ter dem rech­ten Bild­rand ver­birgt. Der Blick des Hel­den hat den Kon­takt zum rech­ten Rand ver­lo­ren und scheint nun auf die Dun­kel­heit gerich­tet zu sein. Es ist nun die Dun­kel­heit, die unse­rem Hel­den zu schaf­fen macht. Wäre nicht das Licht, das hori­zon­tal von einer Licht­quel­le aus­ser­halb des rech­ten Bild­ran­des kommt, wäre es sogar ein in sich logisch kor­rek­tes Bild. Aber es ist es nicht!