Kampf der Kräfte
- Montag, 6. Februar 2012
- Eingetragen in Komposition
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Zuerst ging es beim folgenden Bild von radeldudel darum, den Einfluss der Lichtführung auf den Ausdruck des Bildes aufzuzeigen. Daneben hat mich aber auch die Komposition dieses Bildes fasziniert und zu diesem Artikel angeregt.
(Portrait verwendet mit freundlicher Genehmigung von Sam Jost, www.radeldudel.de.)
Im obigem Bild ist der Ellbogen so nahe am Bildrand, dass dort hohe visuelle Spannung entsteht, obwohl das Gesicht und die Gestik der Hand das Thema ausdrücken und daher dort die höchste Spannung und damit das Aufmerksamkeitszentrum sein sollte.
Das gewählte Hochformat betont die Vertikale, das Oberhalb und Über gegenüber dem Unterhalb und Unter. Das Thema des Bildes findet dagegen in horizontaler Richtung statt und steht damit im Wiederspruch zum Format.
Die untenstehende Version lässt dem Helden mehr Raum und hat ein zum Thema passendes Bildformat, ist aber nicht ausgewogen, da das Spannungszentrum der Komposition links vom Balancezentrum des Bildfeldes liegt.
Bildelemente
Das Bild lässt sich in drei Bereiche aufteilen: Der Held, die Dunkelheit rechts von ihm und das schwarze Etwas links von ihm. Der Held ist nach links gerichtet und sieht über seine linke Schulter nach rechts, von wo auch das Licht kommt. Die Dunkelheit scheint hinter dem Helden und dem schwarzen Etwas durchzulaufen. Das Licht kommt von einer nicht sichbaren harten Lichtquelle als Streiflicht von rechts.
Der Held scheint das schwarze Etwas mit seiner Hand zu umgreifen und seine rechte Schulter scheint dahinter zu verschwinden, als sei dieses Etwas ein Vorhang. Held plus Vorhang haben zusammen ein hohes visuelles Gewicht, dessen dynamisches Zentrum zwischen der Hand und dem Oberarm liegt. Das dynamische Zentrum der Dunkelheit liegt ungefähr in seiner geometrischen Mitte. Da die Dunkelheit weniger visuelles Gewicht hat als Held und der Vorhang zusammen, liegt das Spannungszentrum der ganzen Komposition etwas rechts vom Helden und damit nicht im Balancezentrum dies Bildfeldes. Damit haben wir einen Konflikt zwischen Komposition und Bildfeld, und somit ein unausgewogenes Bild. Beides spürt der Betrachter, was ihm vom genussvollen Betrachten ablenkt.
Equilibrium
Um den Konflikt zu lösen, kann im Nachhinein höchstens noch ein anderer Bildausschnitt helfen.
Nun ist der Held näher am linken Bildrand und scheint sich nicht nur hinter dem Vorhand, sonder auch hinter dem Rand zu verstecken. Dagegen leistet der Rand visuellen Wiederstand. Die Dunkelheit steht ihm gegenüber und bedrängt zusammen mit dem, was der Held hinter dem rechten Bildrand zu erblicken scheint, unseren Helden.
Das Bild sagt, dass sich etwas Bedrohliches hinter unseren Held befindet. Kompositorisch haben wir die gleiche Anordnung und damit das gleiche “Thema” wie das Bild selbst und unterstützen so die Bildwirkung und -aussage.
Verkehrte Komposition
Befindet sich der Held am rechten Bildrand, befindet sich das Dunkle nun von ihm weg, also genau andersherum als der Schrecken. Das “Thema” der Komposition weicht nun vom Thema des Bildes ab und arbeitet gegen dieses.
Auch erscheint die Dunkelheit nun nicht mehr als Vorhand zu fungieren sonder ist eine Leere ohne erkennbare Bedeutung. Es spielt sich dort nichts ab; sie scheint überflüssig zu sein.
Bildausschnitt und Aussage
Das Thema “Schreck” kann durch einen anderen Bildausschnitt zum Thema “Bedrohliche Dunkelheit” werden:
Nun ist es nicht mehr etwas Schreckliches, das sich hinter dem rechten Bildrand verbirgt. Der Blick des Helden hat den Kontakt zum rechten Rand verloren und scheint nun auf die Dunkelheit gerichtet zu sein. Es ist nun die Dunkelheit, die unserem Helden zu schaffen macht. Wäre nicht das Licht, das horizontal von einer Lichtquelle ausserhalb des rechten Bildrandes kommt, wäre es sogar ein in sich logisch korrektes Bild. Aber es ist es nicht!
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